Bei Brigitte Kasper wird der weibliche Torso zum Sinnbild des Verletzlichen in doppelter Hinsicht. Zum einen wird die Haut zum Teil überlagert von Abschnitten einer weiteren Haut, die in Schichten, lederartig, als Schutz oder als Überbleibsel eines Schutzes die blanke Haut verdeckt...

Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich darauf hinweise, dass eine Vielzahl der versammelten Objekte letztlich die keramische Platte zum Ursprung hat, die im Prozess der Gestaltwandlung zum Kunstwerk organisiert wurde ... Die Aufwölbung des Materials, die ergänzende Änderung der Oberflächenstruktur, der sich anschließende Brand ... all das bedeutet nur das Gefäß, in dem das Geheimnis der künstlerischen Aussage verborgen ist. - Zum anderen bestätigt die materielle Beschaffenheit der Plastikoberfläche das Motiv der Verletzlichkeit überdeutlich: Auch sie, obgleich umso vieles härter als der menschliche Organismus, ist schon vom Untergang gezeichnet...

Wir erkennen unübersehbar ein Generalthema der Künstlerin: der weibliche Körper in seiner Vergänglichkeit.

 

Albrecht Dechsler

 

 

Schon beim Betreten des Grundstücks fällt der Blick auf zwei Eisenplastiken von Brigitte Kasper - einen Frauentorso und drei Köpfe, die auf Podeste montiert sind. Von der Künstlerin in fertige Form gebracht, sind die Plastiken dennoch weiterer Veränderung unterworfen, denn nun arbeitet die Natur an ihnen: Regen, Sonne und Wind verändern Oberflächen wie Farben des Metalls...

Das passt zum Thema der Vergänglichkeit und Verletzlichkeit des weiblichen Körpers, das sich durch Brigitte Kaspers Werk zieht. Sie variiert die Motivik mit der Wahl verschiedener Materialien - Bronze, Terrakotta und Eisen- sowie unterschiedlicher Torsoformen. Neben schmalen,in die Höhe gezogenen Körperfragmenten gibt es andere, die Brustpanzern ähneln und aus Teilen zusammengesetzt sind. Die wechselnden Oberflächen Strukturen machen den Reiz dieser Formwiederholungen aus: Die Plastiken schimmern je nach Bearbeitung mattrot, grauglänzend oder silbrig.

 

Anja Pawlitzki

 

 

... Für Brigitte Kasper gilt, dass äußere Beobachtung - im Einzelwerk wie in der gesamten Schaffenskette - zunehmend übergeht in innere Erfahrung, die sich im gewählten Material niederschlägt, sodass daraus Beobachtungen am, Erfahrungen mit dem Material werden, die der aufmerksame Betrachter mit dem Künstler teilen kann. Was sie mitzuteilen hat, nimmt bei Brigitte Kasper immer den Ausgang beim Körper. Wobei ihr der Torso, oft nicht einmal rundplastisch, sondern als Schild oder Schale aufgefasst, für ihr Anliegen genügt. Man sollte sich vom Vorhandensein einerseits mehr oder weniger naturalistisch geformter, glattwandiger Stücke mit ein paar Auswölbungen für Brüste, Bauch, Schamhügel, andererseits von Stücken mit vielen Einkerbungen, Schrunden, Durchbrüchen und gefäßmundartigen Löchern nicht täuschen lassen. Täuschen lassen dahingehend, dass aus einer langen Phase naturnaher Anatomie sich allmählich eine Phase immer extremerer Deformation entwickelt hätte. Brigitte Kasper hat beide Wege ziemlich parallel verfolgt, das heißt auch: den Schalenkörper neben stelenhafter Körperauffassung, die,wenn innen hohl, auch Gefäßanmutung annehmen kann...

Und noch etwas Vitales verraten diese Plastiken. Wenn es unseren Sinnen beim visuellen und haptischen Erkunden schon reichlich Nahrung gibt, mit ihnen umzugehen, wie viel größer muss dann erst die Hingabe, ja die Lust der Urheberin gewesen sein, während sie beidhändig knetend und klopfend, immer wieder hinzufügend und wegnehmend an ihnen arbeitete!...

Ton wird geschmeidigt, bevor er dem Brennofen anvertraut wird. Aber das Wachs, dessen Aufbau der Vorbereitung des des Bronze- oder Eisengusses dient, wird zerschnitten, in Platten und Stangen, Schuppen und Schollen aufgebaut, dann verstrichen oder gar mit dem Lötkolben verschweißt. Das sind höchst sinnlichen, physische Vorgänge. Zwar erhält das keramische Endprodukt keine Glasur, um nicht die feinen Poren und Risse zuzusetzen, allenfalls wird Lack aufgebürstet. Die Bronze aber erhält eine Patina, und das Eisen wird gar sandgestrahlt und abgeschliffen, bevor es den Elementen ausgesetzt wird und Rost ansetzen darf.

Was ich mit alldem sagen will: das bildhauerische Schaffen besitzt eine Eigendynamik, eine gestalterische Eigengesetzlichkeit, für die jedes bestimmte Thema nur ein Anstoß ist...

 

Dr. Roland Held

 

 

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